Starkbierfest 2024
„Alles wird gut“
Bei seiner humorvollen Fastenpredigt nimmt Gastwirt Anton Silbernagl beim „Schex“ die Politik aufs Korn. Doch er denkt auch ans Aufhören, wäre schade darum.
Von Thomas Daller
St. Wolfgang Der Nockherberg mit dem Politikerderblecken ist das berühmteste Starkbierfest in Bayern, zum Glück aber nicht das einzige. In vielen Orten gibt es pfiffiges Kabarett-Potenzial. Im Landkreis Erding ist das Derblecken beim Starkbierfest in St. Wolfgang Kult. Anton Silbernagl, der Wirt des „Schex“, hält dort traditionell die Fastenpredigt, bei der er der lokalen und der „großen“ Politik die Leviten liest. Seit 20 Jahren steht er in der Fastenzeit vor ausverkauftem Saal auf der Bühne und gibt pointiert wieder, was ihm in den vergangenen Monaten so alles aufgefallen ist.
Er freue sich, sagte er bei der Begrüßung, dass wieder so viele Gäste aufs Starkbierfest gekommen seien, weil die Bildzeitung und die Opposition im vergangenen Jahr behauptet hätten, dass jeder 2024 rund 50 000 Euro für eine neue Heizung ausgeben müsse. Da habe er schon ein bisserl Angst gehabt, dass sich deswegen viele das Starkbierfest nicht mehr leisten könnten.
Da hört man es schon raus: Der „Schex“, wie sein Spitzname lautet, ist ein Grüner, dennoch schont er sie in seiner Predigt nicht. Aber wenn er sich über deren Fehler lustig macht, dann nicht in dieser aggressiven und ausgrenzenden Art, wie man sie von AfD und Aiwanger, von Bauernverband und CSU kennt, sondern mit einem Augenzwinkern.
„Die Grünen sind an allem schuld“, schimpft er als Fastenprediger. So etwas wie Klimawandel, Bürokratismus, Wirtshaussterben, Höfesterben, Bauerndemos, Krieg in der Ukraine und im Nahen Osten, Nationalmannschaft bei der WM vorzeitig ausgeschieden, FC Bayern eine Lachnummer – das habe es alles noch nicht gegeben, bevor diese Grünen an die Regierung gekommen seien. Zudem hätten die Grünen in Habecks Ministerium auch noch Vetternwirtschaft betrieben. Vetternwirtschaft, das sei doch eine ureigene Sache der CSU: Da sei der Söder sauer geworden. „So geht’s doch nicht.“
Jesus war konsequenter als die Klimaaktivisten
Auch den Generalsekretär der CSU nimmt er aufs Korn: „Wenn einer schon Martin Huber heißt“, sagt er in Anspielung auf den gleichnamigen AfD-Landtagsabgeordneten aus Taufkirchen. Der Generalsekretär habe sich über die Entwicklungshilfe der Ampelregierung echauffiert, über Radwege in Peru. Dabei seien all diese Projekte noch von seinem Parteifreund und ehemaligen Entwicklungsminister Gerd Müller ins Leben gerufen worden.
Und natürlich darf auch Hubert Aiwanger bei so einem Jahresrückblick nicht fehlen: Es sei ja eine Sauerei gewesen, was die Süddeutsche mit diesem „aufrichtigen, integren und absolut ehrlichen Mann“ gemacht habe, nur wegen dieses „unglücklichen Pamphlets“, dieser „Jugendsünde“. Dem „Hubsi“ sei es dann ergangen wie dem österreichischen Popsänger Falco, der einmal gesagt habe: „Wer sich an die 80er noch erinnern kann, der hat sie nicht erlebt.“
Die Klima-Aktivisten, die sich auf den Straßen festkleben, nahm er in Schutz: Sie würden ja eigentlich hehre Ziele verfolgen und quasi als Märtyrer versuchen, die Welt zu retten. „Das hat es vor 2000 Jahren auch schon gegeben“, wendet er aber ein: „Allerdings war der Jesus damals schon wesentlich konsequenter. Mit ein bisschen hinkleben war da nichts.“
Kleiner Seitenhieb gegen den Landrat: Nicht nur als Jäger oft einen Bock geschossen
Kleine Seitenhiebe gibt es auch zur Lokalpolitik. Landrat Bayerstorfer sei ja schon seit geraumer Zeit unter die Jäger gegangen, sagt Silbernagl. Eines Tages sei er zu ihm in die Wirtschaft gekommen und habe ihm auf dem Handy gezeigt, was für einen großen Bock er geschossen habe. „Sag i zum Landrat: Du hast schon oft an super Bock geschossen, als Du noch gar kein Jäger warst.“
Gefrotzelt wird auch über die Geistlichkeit: Der Fastenprediger begrüßt den neuen Pfarrer Ringhof, „a guader Typ“. „Ich sag‘ ja immer, die besten Pfarrer sind die, wo der Vater schon Pfarrer war und der Großvater auch.“
Ein Atomkraftwerk für den Landkreis? Da kommt nur Tittenkofen in Frage
Bei der AfD, die insbesondere in den östlichen Bundesländern die meisten Stimmen bekomme, hört für den Schex der Spaß jedoch auf: Vor 35 Jahren seien sie noch im Dreck und im Ruß erstickt, hätten zehn Jahre auf „so eine Art Auto“ warten müssen und wer konnte, sei unter Einsatz seines Lebens geflohen. Viele Milliarden Euro seien seither dorthin geflossen, die Infrastruktur sei dort nun zum Teil besser als hier. Und jetzt möchten sie die Zeit zurückdrehen, wollten statt des Euros die D-Mark, den Austritt aus der Nato und der EU und um ganz Deutschland einen Zaun ziehen gegen die Flüchtlinge. „Jetzt ist alles so schlimm, dass man nur noch Höcke wählen kann?“, fragt der Schex. Da sei er mal gespannt, wer nach der Remigration bei uns den Müll wegfährt, die alten Leute pflegt oder sonstige Arbeiten erledigt, die bei uns keiner mehr machen mag.
Aber so weit werde es nicht kommen, prognostiziert er zum Schluss. Bei der nächsten Bundestagswahl werde die Ampel abgewählt, Söder werde Kanzler und Monika Gruber Energieministerin. Das Heizungsgesetz werde abgeschafft und in Tittenkofen ein Atomkraftwerk gebaut. „Alles wird gut.“
Worte, die nach einem Abgesang klingen, der hoffentlich keiner ist: Denn Silbernagl spielt mit dem Gedanken, als Fastenprediger aufzuhören. Wäre schade darum. Der Landkreis wäre um eine prägende Veranstaltung ärmer, ohne den Schex und seinen würzigen Humor.
Thomas Daller